The Writings of Israel Shamir
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Herrscher in Fesseln
von Israel Shamir

Jerusalem

"Schnell, dreh den Fernseher auf", rief mir meine Frau, die gerade per Telefon einen Tipp erhalten hatte, aus der Küche zu. Auf dem Bildschirm war George W. Bush's Foto zu sehen mit dem Untertitel "Bush - der ehemalige Diktator ist gefangengenommen". Ich kann nicht leugnen, dass dies ein Augenblick grosser Freude für mich war. Bush verdiente es wirklich, gefangengenommen und verurteilt zu werden - für die Invasion souveräner Staaten wie Irak und Afghanistan, für Tausende von getöteten und gefolterten Frauen und Männern überall dort wo er dem Islam den Krieg erklärt hat, für seine Unterstützung von ENRON, für seine zweifelhafte Rolle bei den Attentaten des 11. September 2001. Im Hinblick auf den "Patriot Act", der den traditionellen amerikanischen Begriff der Freiheit ausradiert hat und im Hinblick auf die verfassungswidrige Art und Weise, wie er ins Weisse Haus eingezogen ist, könnte man ihn durchaus als "Diktator" bezeichnen. Aber "ehemalig"? Haben die Bürger der USA, dieser grossartigen transatlantischen Republik, sich endlich als würdige Erben des Brutus oder sogar eines George Washington und Thomas Jefferson erwiesen, zu den Waffen gegriffen und den Tyrann verjagt?

Leider währte die Euphorie nur kurz. Einige Augenblicke später erwies es sich, dass der verhaftete ehemalige Diktator niemand anderer als der entmachtete irakische Präsident Saddam Hussein war. Was für eine Enttäuschung! In einer Endlosschleife liefen Bilder des erniedrigten Präsidenten über die Mattscheibe, bärtig, müde, verwirrt, behandelt wie ein Tiger im Käfig. Saddam öffnet seinen Mund und wir sehen notgedrungen zusammen mit der Kamera mithinein. Sein Mund ist rot gefärbt; er sieht menschlich und zerbrechlich aus; zu menschlich - sein zerzauster Bart und seine grossen Unschuldsaugen verleihen ihm Ähnlichkeit mit Leo Tolstoi und Alexander Solzhenitsyn.

Wenn im Dezember 1941 Hitlers Armee nicht von der 39. Division der Roten Armee von Panfilov kurz vor Moskau gestoppt worden wäre, dann hätte Joseph Stalin wohl dasselbe Schicksal ereilt; er wäre in einem eisernen Käfig nach Berlin gebracht worden und als der "gefangengenommene blutrünstige Diktator" der Bevölkerung präsentiert worden. Und es wäre auch das Schicksal des Parteivorsitzenden Mao gewesen, wenn die chinesischen Soldaten die Horden Macarthurs nicht am Ufer des Yalu 1950 aufgehalten hätten. Vae victis, die Nierlage ist hart, vor allem eine Niederlage gegenüber einem skrupellosen und arroganten Feind.

Ich überquerte die Strasse und setzte mich in ein palestinensisches Café, wo Künstler und Lehrer aus Jerusalem sich mit Dorfbewohnern, die Geschäftliches in der Grosstadt zu erledigen haben, zu einem Spiel Backgammon und auf eine Tasse Kardamomkaffee treffen.

Düstere Stimmung hing über den Tischen, wie eine Regenwolke im Dezemberhimmel. Die Palästinenser waren besorgt und sprachen nur im Flüsterton. Ihre Gefühle als Orientalen waren verletzt worden durch die entehrende Zurschaustellung des verhafteten Herrschers. Ob man Saddam Hussein nun mochte oder nicht, er war der rechtmässige Präsident einer grossen arabischen Nation und seine Erniedrigung hatte alle Araber erniedrigt. Er war nicht der erste festgenommene Herrscher in der langen und blutigen Weltgeschichte.

Vor mehr als 800 Jahren wurden die grossen westeuropäischen Kreuzritter von der siegreichen arabischen Armee gefangengenommen, doch dann nahm der arabische Kommandant Saladin die Gefangenen höflich auf und behandelte sie wie seine Ehrengäste. Er führte sie nicht mit offenem, rot gefärbtem Mund seinen Truppen vor. Aber Ritterlichkeit und Ehrgefühl, Werte, die einem Araber so sehr am Herzen liegen, gehören nicht zu den amerikanischen Tugenden: Sie haben es erst gewagt, den Irak anzugreifen, nachdem die UNO das Land 10 Jahre in Schach gehalten hatte und als das Land völlig entwaffnet war.

Die Palästinenser haben zusätzliche Gründe, besorgt zu sein. Der Irak war einer grosser unabhängiger arabischer Staat. Sicherlich kein reelles Gegengewicht zum vereinigten Machtblock Israels und der USA, aber immerhin : allein durch seine Existenz konnten die Zionisten gebremst und noch wildere Aktionen ihrerseits verhindert werden.

1948 konnten irakische Freiwillige die israelische Armee daran hindern, die palästinensischen Bewohner aus Jenin und Nablus zu vertreiben und bewahrten sie so vor dem sicheren Schicksal heimatloser Flüchtlinge.

1973 hielt die irakische Präsenz die Israelis davon ab, bis nach Damaskus zu marschieren. Seit dieser Zeit nahmen sich die Iraker der Palästinenser an und unterstützten sie, sehr zum Ärger der USA. Sie sammelten Geld und unterstützten damit palästinensische Witwen und Waisen aus der Widerstandsbewegung.

Das Regime, das von den Amerikanern im besetzten Bagdad eingesetzt wurde ist radikal anti?palästinensisch und pro-israelisch eingestellt. Ahmad Chalabi, der amerikanische Protégé, hat dazu aufgerufen, ein freundschaftliches Verhältnis zu Israel aufzubauen; Pläne, irakisches Erdöl an Raffinerien in Haifa zu senden werden verhandelt, während palästinensische Flüchtlinge von den Besatzern aus ihren Übergangslagern in Bagdad vertrieben werden. Saddam Hussein konnte nicht viel dagegen unternehmen; seine anti-islamische Politik machte ihn nicht gerade beliebt bei den religiösen Arabern, aber er war ein Freund und eine unabhängige arabische Stimme.

Die Israelis, in einem Pub nicht weit entfernt vom Palästinenser Café, waren freudig erregt. Für sie waren dies sowohl politisch, als auch wirtschaftlich gesehen, hervorragende Neuigkeiten. Seit dem Sieg der Amerikaner erschliessen israelische Firmen auf aggressive Weise den irakischen Markt. "Jegliche Anfrage betreffend der Erschliessung neuer Geschäftsbeziehungen im Irak wird weitergeleitet an eine ausgewählte Liste von Zwischenmännern, die von den Amerikanern herausgegeben wird. Alle Zwischenmänner auf dieser Liste sind jüdisch und fast alle Israelis. An der Spitze der Liste steht die israelische Anwaltskanzlei in der Douglas Feith (ein ultrazionistischer amerikanischer Verantwortlicher) als Partner arbeitet", wurde mir mitgeteilt. Die irakischen Juden wenden sich mit Ansprüchen an jüdischem Eigentum im Irak in Höhe von Millionen von US Dollar and die Besatzungsmächte. Die Gefangennahme von Saddam Hussein wird den irakischen Widerstand untergraben, was wiederum den israelischen Anteil am Gewinnerkuchen vergrössert.

Aber für die israelischen Politiker gibt es noch wichtigere Gründe, sich über Saddams Festnahme zu freuen. "Der entmachtete irakische Diktator Sadam Hussein könnte einen Handel mit den Amerikanern schliessen, wonach er ihnen Informationen darüber zukommen lässt, wie er Massenvernichtungswaffen nach Syrien schmuggelte. Im Gegenzug bekäme er nur eine lebenslängliche Gefängnisstrafe und würde nicht als Kriegsverbrecher hingerichtet ", schreibt der Militärberichterstatter der israelischen Tageszeitung Haaretz. Solch eine Aussage rettet George Bush und Tony Blair vor der Anschuldigung, dass sie ihre Staatsbürger belogen hätten. Besser noch, damit könnte sich die israelische Führung einen langersehnten Traum erfüllen und sich, mit Hilfe der amerikanischen Panzer, ihren Weg nach Damaskus freischiessen. Mit der Eroberung Syriens wäre die Unterwerfung des Mittleren Ostens an Israel einen entscheidenden Schritt weitergekommen und die saudiarabischen Erdölreichtümer in greifbare Nähe gerückt.

Die Festnahme von Saddam Hussein wird dem Irak und dem Mittleren Osten keinen Frieden bringen, sondern höchstwahrscheinlich nur die nächste Kriegsrunde in diesem Krisengebiet einläuten.

 

 

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