Sag nicht Fatah
Von Israel Shamir
Die Palästinenser sind das freiste Volk
der Erde. Das bewiesen sie erneut im Juni, als sie die
berüchtigten Folterkammern von Dahlan aufbrachen
und die Gefangenen freiließen; als sie die
CIA-trainierten Schläger zu ihren jüdischen Herren
fortjagten. Ich bin stolz auf ihren einzigartigen Sieg:
Die Amerikaner können sich von Guantanamo und ihren
vielfältigen anderen Gefängnisse mit Millionen von
Gefangenen (mehr als in Onkel Jos Gulag) nicht frei
machen; die Briten können ihre Überwachungskameras nicht
abbauen; die Saudis können ihre CIA-gesteuerten
Herrscher nicht hinauswerfen. Wenige Völker nur haben
Erfolg dabei, die Maschinerie der Furcht und der
Unterdrückung zu entfernen, indem sie diese
Gestapo-Klone der Sicherheitspolizei, die überall auf
dem Globus wie Pilze aus dem Boden schießen, zertreten.
In einem zukünftigen Palästina wird der Fall des „Gaza
Preventive Security Prison“, des präventiven
Sicherheitsgefängnisses von Gaza, so gefeiert werden,
wie die Franzosen den Fall des Bastille feiern.
Dies ist ein Sieg des Volkes über die
Unterdrückung. Darüber hinaus ist es ein Sieg des
Gesetztes über die Gesetzlosigkeit, denn Palästina hatte
eine rechtmäßige Regierung und hat sie immer noch,
während der schurkische Sicherheitsapparat versuchte,
sich über das Gesetz zu stellen. Ein wahrer Sieg
des Volkes, denn er gelang ohne Vergeltung und unnötiges
Blutvergießen. Die israelischen Medien veranstalteten
einen Riesenwirbel um die 60 Sicherheitsmännern, die um
israelischen Schutz nachsuchten, aber tatsächlich haben
von diesen (in jeder Hinsicht winzige Zahl) mehr als die
Hälfte darum gebeten, wieder nach Gaza zurückkehren zu
dürfen. Sie wussten, es würde keine Rache geben, keine
Kopfjägerei, keine Nacht der langen Messer, keine
Moskauer Prozesse gegen die Fatah-Kämper: Das Volk hat
gewonnen, es gibt keinen Bürgerkrieg, kein größeres
Blutvergießen; die Sicherheitsgangster haben verloren,
und jetzt haben sie eine Chance zu versuchen, wieder
Menschen zu werden.
Großmut, Freigebigkeit, brüderliche
Gefühle, das waren die Gütezeichen dieser
Volksrevolution. Im Versuch, Zwietracht zu sähen, wie
sie es immer tun, stellten die Mainstream-Medien diese
glorreiche Revolution als ein Sieg der Hamas über die
Fatah dar. Das ist eine Übertreibung. Das Volk von Gaza
kämpfte gegen die Dahlan-Gangs, gegen gesetzlose
Kriminelle, die versuchten, ihre Gewalt- und
Unrechtsherrschaft über den Gaza-Streifen zu errichten.
Tolkien-Leser können an die Schlacht von Bywater denken,
bei der freie Hobbits die Schurken von Sharkey
vernichteten und aus dem Shire warfen. Diese Banden
waren Überbleibsel einer finsteren vorangegangenen
Herrschaft; sie waren vom israelischen Saruman
eingesetzt worden und ihre Niederlage war nur eine Frage
der Zeit. Aber Dahlan ist nicht Fatah; und Mahmud Abbas
ist genauso wenig von den USA und Israel gekrönt und als
König von Ramallah Bantustan eingesetzt worden. Die
wahre Fatah, das ist Marwan Barghouti, der noch immer im
jüdischen Gulag eingekerkert ist, sowie andere
wundervolle Männer und gute Kämpfer, die den Namen
Palästinas von der Schlacht von Karame bis in die
Intifada trugen. Sie sind die wahre Fatah und sie haben
einen sicheren Platz in der Ruhmeshalle der
palästinensischen Revolution.
Ich kenne Fatah-Kämpfer; ich bin ihnen
in ihren Dörfern in den Hügeln Palästinas begegnet, wo
sie eine kurze Ruhepause einlegten nach vielen Jahren
des Exils und der Inhaftierung. Großartige Menschen, die
empört über Abu Mazens schmachvolle Unterwerfung unter
das israelisch-amerikanische Diktat waren, genau wie
alle anderen. Der Sieg des Volkes von Gaza könnte die
Fatah zu einer ordentlichen Hausreinigung veranlassen,
zur Rückkehr zu ihren eigenen revolutionären
Traditionen. Dahlan und Rajoub, diese
Sicherheitsschergen, und ihre politischen Verbündeten
Abu Mazen und Saeb Erekat stahlen, nein, sie
privatisierten den Namen Fatah, genauso, wie die
KGB-Bonzen den Kommunismus privatisierten und die
judäo-mammonitischen Eliten das freie Unternehmertum der
amerikanischen Gründerväter privatisierten. Lasst keinen
Fatah-Kämpfer durch Dahlans Niederlage verärgert sein.
Vielmehr können sie dem Beispiel folgen und die Werwölfe
loswerden, die den Namen der Fatah im Dienste der Shin
Bet missbrauchten.
Jonathan Steele erinnerte uns
ganz richtig daran, dass „die Bewaffnung von
Aufständischen gegen eine gewählte Regierung eine lange
US-Ahnenreihe hat und es ist kein Zufall, dass Eliott
Abrams, der stellvertretende nationale
Sicherheitsberater und augenscheinliche Architekt der
Anti-Hamas-Umsturzes eine Schlüsselfigur bei Ronald
Reagans Waffenlieferungen an die Contras war, die
Nicaraguas gewählte Regierung in den 1980er Jahren
bekämpften.“ Aber diese Contras, die bei jeder
Revolution allgegenwärtig sind, die Chouans der Vendée,
die Contras der französischen Revolution, die
Donkosaken, die Contras der russischen Revolution,
Savimbis Unita, die Contras der angolanischen
Revolution, hatte durchaus Wahrheit auf ihrer Seite und
brachte legitime Interessen zum Ausdruck. Aus diesem
Grunde schätzen und unterstützen wir den gnädigen
Charakter der Hamas-Revolution: Hamas Bereitschaft zur
Zusammenarbeit mit gesünderen Elementen der Fatah zum
Wohl der palästinensischen Sache.
Einige Lektionen können und sollten
jedoch gelernt werden: Die Führerschaft der Fatah
unterwarf sich der israelisch-amerikanischen Versuchung
wegen ihrer fehlerhaften Ideologie. Der Nationalismus,
diese Waffe der Massendesintegration, wurden von
westlichen Kolonialisten in den Osten gebracht, um zu
teilen und zu erobern. Bis ins 19. Jahrhundert hinein
kannte der Osten keinen Nationalismus, denn er war durch
den Glauben geeint und von den traditionellen Herrschern
regiert, den Nachfolgern von Konstantin dem Großen und
Suleiman dem Glorreichen. T. E. Lawrence lieferte den
Bazillus des Nationalismus an Hejaz in seinen vom
Geheimdienst gepackten Satteltaschen und untergrub die
östliche Einheit. Er versprach den Arabern die
Unabhängigkeit von den „hassenswerten Osmanen“, aber aus
ihrem Betrug entsprang nicht Gutes. Britische,
amerikanische und später zionistische Kolonialisten
teilten sich ihre Siegesbeute während die Einheimischen
sogar noch mehr unterdrückt wurden.
Der Nationalismus ist notwendigerweise
eine Art partikularistische „Wir machen es
alleine“-Ideologie. In Palästina, Ägypten und Syrien
wurde dies durch einen universalistischen Sozialismus
kompensiert, aber mir dem Verschwinden dieses
sozialistischen Elements, verblieb der Fatah nur ihr
fehlerhafter Nationalismus und war zum Versagen
verurteilt. „Sie sind Nationalisten wie wir“, sagten die
Zionisten von Sharon bis Avnery über die Fatah. „Sie
werden über eine Fahne glücklich sein, eine Hymne, einem
Schweizer Bankkonto – wie wir. Sie werden sich mit einem
Bantustan oder zwei zufrieden geben.“
Aber die Palästinenser betrügen kaum
Palästina wegen der Illusion von Unabhängigkeit. Alle
Palästinenser, das heißt alle Einwohner von Palästina,
Einheimische und Einwanderer, brauchen alles davon,
nicht nur gerade zwei Prozent von Gaza und zehn Prozent
der Ramallah-Enklave, sondern 100 Prozent. Wir können
alles davon gemeinsam haben, nicht mit Aufteilen sondern
mit Teilhaben. Der Islam ist eine universaler Glauben
wie das Christentum und seine religiösen Fundamente sind
für unseren universalen Staat besser geeignet, als der
Nationalismus von Gestern, ob arabisch oder zionistisch.
Ein ähnlicher Prozess findet in der Türkei statt, wo der
kemalistische Nationalismus ein amerikanischer
Verbündeter geworden ist und von Soldatenbajonetten
gestützt wird, wohingegen die islamische Partei die Wahl
der Menschen ist.
Die Menschen des Ostens glauben an Gott;
daher heißt es auch Ex Oriente Lux. Sie wissen
auch aus Erfahrung, dass Gottlose weder Skrupel noch
Mitleid haben, während wir doch mitleidsvolle Führer
benötigen. Beachtet die Vogelscheuche „Islamfaschismus“
oder „islamische Gefahr“ nicht. Sie ist ein Mythos, der
von Podhoretz und ähnlichen Leuten kreiert wurde, eine
erfundene Bedrohung, wie die Gelbe Gefahr, der
Panslawismus, der Kommunismus. Wir haben keine Angst vor
Anhängern des Islam, denn wir leben mit ihnen schon
unser ganzes Leben lang, und es ist gut die Liebe zu
seinem Land mit der Liebe zu Gott in Einklang zu
bringen.
Der Prozess der Erschaffung eines Nation
in Palästina ist weit davon entfernt, vorüber zu sein.
Ein neues Paradigma sollte gefunden werden, um seine
Stämme und Gruppen in einer Gesellschaft zu vereinigen
indem man die palästinensische Nationalbehörde -- und
den jüdischen Staat auflöst, wie es ganz richtig von
Avrum Burg festgestellt wurde. Trennung und der Drang
nach Unabhängigkeit dieses oder eines anderen Teils von
Palästina hat sich als eine Bankrott-Strategie erwiesen.
Palästina kann nicht geteilt werden. Die Freunde
Palästinas und die Freunde Israels müssen
zusammenarbeiten, um zusammenzuführen, nicht um zu
trennen.
Übersetzung: Friederike Beck