Russland zögert
Von Israel Shamir, Moskau
Israel und die USA, die schrecklichen
siamesischen Zwillinge, die durch ihre jüdischen Gemeinschaften
verbunden sind, sind auf dem Kriegspfad. Der gewöhnlich gut
unterrichtete Uzi Mahanaimi schrieb in der Sunday Times,
dass die Pläne ausgebreitet worden sind und dass die
Vorbereitungen in der Abschlussphase sind, den Krieg gegen
Syrien und den Iran wiederaufzunehmen, der zeitweilig durch die
Hisbollah-Kämpfer in den Bergen des Südlibanon gestoppt worden
war. Präsident Bush hofft, seine sinkende Popularität durch den
Krieg zu verbessern sagt Alex Cockburn. Eine Verurteilung
des Iran durch den Sicherheitsrat ist alles, was er für den
Angriff im Morgengrauen braucht. Bis jetzt wurden solche
Resolutionen nach einer kurzen Zeitspanne des Feilschens
produziert. Jetzt gibt es aber eine Chance, dass Russland sein
Veto nutzen wird, und dann würden die US-Pläne zu den Akten
gelegt und der Angriff auf den Iran abgesagt werden.
Vor 1990 wäre solch ein Veto sicher gewesen.
Damals in den Tagen der übel beschimpften Sowjetunion brachten
die Russen so manche Angelegenheit nach vorne, deren Früchte wir
noch genießen: Zusammen mit ihren kubanischen Verbündeten
stoppten sie die Panzer der Apartheid in Angola und brachten
Mandelas Freilassung und die Schaffung eines egalitäreren
Südafrikas zustande. Die Russen unterstützten die europäischen
Gewerkschaften und kommunistische Parteien und verhinderten den
Angriff von Privatisierung, Outsourcing und Globalisierung. Wenn
es Ihnen vor 1990 besser ging, und das ist wahrscheinlich der
Fall, war das Dank des russischen Einflusses. Die Russen
belieferten die Feinde des Imperiums mit ihren billigen und
guten Waffen und blockierten die Versuche des Imperiums, seine
Aggressionen über UN-Resolutionen zu legitimieren. Ihre
Flugzeuge und ihre Boden-Luft Raketen halfen den Vietnamesen und
den Koreanern den Krieg zu gewinnen. Ihr Einfluss und ihre
Fähigkeiten waren begrenzt: die Russen konnten niemals Schritt
halten mit der ungeheuren von Washington angeschirrten Macht des
Westens. Aber sie konnten die Räder des amerikanischen Lastzuges
anstechen, und das taten sie. Das Imperium hasste sie und
wünschte ihnen den Tod, und viele westliche Intellektuelle
unterstützen diesen Wunsch.
Mein Freund, der russische Außenseiter-Poet
Edward Limonov schrieb in den 1980ern eine Kurzgeschichte: was
würde passieren, wenn Russland komplett vom Angesicht dieser
Erde verschwände? Die USA würden auf der ganzen Welt im großen
Stil intervenieren und Kapitalismus und Imperialismus würden mit
Macht den Boden wiedergewinnen, der seit 1917 verloren worden
war, prophezeite er; und so ist es passiert: Panama, Nicaragua,
Jugoslawien, Irak, Afghanistan wurden überfallen. Die Reichen
wurden reicher, die Mittelklasse schrumpfte, Freiheiten wurden
unter dem Vorwand des „Krieg gegen den Terror“ zurückgenommen.
Die westliche Linke trug eine Menge zu dieser
unglücklichen Entwicklung bei, weil die Sowjetunion mit
doppelter Perfidie zugrunde gerichtet wurde. Am Ende betrogen
ihre Eliten ihre Massen und privatisierten den Wohlstand, der
von den sowjetischen Völkern geschaffen worden war. Aber davor
hatten wir, die westliche Linke, das Klischee des bösen
Imperiums verinnerlicht und wiederholten jeden vom Feind
fabrizierten Slogan. Wir riefen in Sprechchören „Let My People
Go“ und forderten ein spezielles Privileg für die Juden, das
Recht, auszuwandern. Es kümmerte uns nicht, dass die
Palästinenser keine Recht hatten, in ihre Häuser zurückzukehren
während die russischen Juden in Siedlungen im besetzten
Palästina ziehen wollten. Wir unterstützten russische
Dissidenten, obwohl sie alles hassten, für was wir eintraten und
Pinochet als einen „linken Weichling“ ansahen. Wir klagten die
Russen wegen ihres seit langem bestehenden Gulags an und
richteten Abu Ghraib ein. Wir verurteilten die Russen zu sehr
und trugen zu ihrem Gefühl von Isolation bei und zu dem zweiten
schrecklichen Betrug durch ihre Eliten.
Wir, gute und ehrliche Menschen wurden von der
Medienmaschine fehlgeleitet und ausgetrickst in einen Ausbruch
der Verurteilung gegen unseren einzigen mächtigen Verbündeten.
Die Linke des Westens überlebte den Zusammenbruch nicht: sie
ging in den Selbstzerstörungsmodus und was übrig blieb, wird
repräsentiert von Leuten wie Tony Blair. Überall in der
westlichen Welt feiern die Eliten ihren unbegrenzten Wohlstand
und Luxus während einfache Leute schlechter und schlechter dran
sind. Nicht nur Industriearbeiter: Wenn du nicht ein
Generaldirektor bist, lebst du schlechter als zuvor und die
Chancen, dein Los zu verbessern, sind schlechter als sie jemals
waren.
Aber glücklicherweise verschwand Russland nicht
für immer, obwohl es nahe daran war. Boris Jeltzin verkaufte
dessen Bodenschätze an seine Kumpanen und an westliche Konzerne,
beschoss das Parlament und gab die Medien und das Öl in die
Hände jüdischer Oligarchen. Jeltzin installierte Wladimir Putin,
einen Ex-KGB-Offizier und zukünftigen Pinochet von Gnaden der
Oligarchen, Putin entwand sich dem Oligarchen-Griff. Er
verbannte einige verbrecherische Tycoons, brachte sie vor
Gericht und stellte eine Annäherung an Recht und Ordnung im
Lande wieder her. Er gab die Hauptfernsehkanäle dem Volk wieder.
Meine wohlhabenden russischen Bekannten in Russland erzählen
mir, dass Geld nicht mehr das Land beherrscht. Man kann
Annehmlichkeiten kaufen aber nicht mehr die Macht.
Die Öleinnahmen begannen dem Land zuzufließen,
nicht nur einigen Privattresoren in Schweizer Banken. Dies
belebte die Wirtschaft wieder. Die Infrastruktur, die von
Gorbatschow und Jeltzin ruiniert worden war, wird
wiederhergestellt und verbessert; Wohnungen werden in großer
Anzahl gebaut; die einstmals heruntergekommene Armee erhält neue
Ausrüstung; die Hauptstraßen glänzen mit schönen neuen Läden;
neue und reparierte Autobahnen mit Millionen von Autos verbinden
Dörfer und Städte. Der Tschetschenienkrieg ist vorbei; die
Republik wurde in Russland wiederhergestellt und seine Bewohner
erfreuen sich voller Bürgerrechte. Das russischen Ballett
erobert wieder Augen und Herzen. Nach dem totalen Zusammenbruch
der Filmindustrie in den 1990ern, machen die Russen wieder viele
Filme, sogar Kassenschlager und Publikumsmagneten (wie The
Night Guard) und auch „Festival-Kunst“. Zwanghaftes,
schuldgeplagtes Gejammere hat neuer Prosa und Poesie Platz
gemacht. Tausende von Kirchen sind restauriert und ihre
Zwiebeltürme vergoldet worden; alle Kirchen sind sonntags
gefüllt. Historisch gesehen ein Land der orthodoxen Christenheit
und des sunnitischen Islam, bewahrt Russland diese Tradition und
die Christen und Muslime leben hier in relativer Harmonie, trotz
der Bemühungen pro-amerikanischer Kräfte, Islamophobie in
russische Herzen einzupflanzen. Das staatliche Fernsehen wurde
jüdischen Oligarchen weggenommen und von der PC-Tyrannei
befreit, es bringt nun sehr viel über den ehrwürdigen,
graubärtigen Patriarchen (der russische Papst) und den flinken
Karatekämpfer von einem Präsidenten und stärkt die Tradition von
Glaube und Autorität in Russland
Ein 1500 Seiten langer Mammut-Roman des
russischen Malers Maxim Kantor, The Drawing Textbook,
der letzte Schrei in der russischen Literatur, wurde von vielen
Lesern als eine Proklamation einer Kehrtwendung aufgenommen:
Russlands ideologische Unterwerfung unter den mammonitischen
Westen ist vorbei! Kantor macht nicht halt dabei, die
„Heuschrecken“-Kapitalisten zu kritisieren, ihnen gingen die
„Heuschrecken“-Intellektuellen voraus. Kantor verteidigt
Christus gegen den humanistischen Angriff: Die Christenheit
wurde seiner Ansicht nach von den Humanisten betrogen. Kantor
ist nicht begeistert von dem neuen russischen Regime: er
bedauert, dass Russland seinen Sozialismus aufgegeben hat und
sieht 20 Jahre kapitalistische Entwicklung als Flop an:
„Kasernen“-Sozialismus wurde durch „Kasernen“-Kapitalismus
ersetzt. Mit diesem Buch, ein modernes Krieg und Frieden,
ist Russlands Wiedererfindung offiziell auf den Weg gebracht und
dieses großartige Land mit seinem großen Volk könnte noch das
Blatt der Geschichte wenden.
Es ist zweifelhaft, ob Russland irgendwann in
nächster Zeit nach links driften wird. Aber der internationale
Aktivismus der Abenteuer-suchenden Amerikaner ist für keinen
unabhängigen russischen Staat akzeptabel. Die Russen sind nicht
glücklich über die amerikanischen Militärbasen, die Russland
umgeben, mit dem aggressiven Druck der NATO oder mit politisch
motivierten Beschränkungen gegenüber russischen Unternehmen. Die
Russen fühlen, dass sie vor 20 Jahren betrogen wurden als der
Westen seinen Wunsch proklamierte, vollständigen Frieden und
Harmonie zu erreichen und die Unabhängigkeit der Völker zu
respektieren. Sie glaubten diesen Blödsinn und russischen
Truppen verließen Osteuropa, amerikanische Truppen jedoch sitzen
immer noch in Deutschland, Italien, Japan herum; sie rückten
nach Polen vor und versuchten diesen Sommer, auf der Krim zu
landen in der Nähe der Heimatbasis der russischen Flotte. Die
Russen verließen Vietnam, die Amerikaner aber halten Okinawa
noch immer besetzt. Russlands Führer fühlen sich gefährdet: Seit
dem Ableben der Sowjetunion sind Führer von unabhängigen,
souveränen Staaten – Noriega, Saddam Hussein, Milosevic –
ergriffen und ins Gefängnis geworfen worden, weil sie sich dem
Willen Washingtons versagten. Ebenso wenig ist das russische
Vermögen gesichert: Russland ist wie viele andere Staaten
gezwungen, seine Ersparnisse im Abgrund der amerikanischen
Wirtschaft zu halten, keiner kann jedoch diese Investitionen
einziehen. Norwegen investierte seine ganzes Erdöleinkommen in
den amerikanischen Aktienmarkt und verlor alles; Schwedischen
Pensionsfonds erging es genau so. Wenn das den besten Freunden
der USA zustößt, was wir mit seinen Feinden passieren? Iran,
Irak, Palästina verloren alle ihre Guthaben durch Entscheidungen
der US-Regierung. Darüber hinaus gestattet es ihr Rechtssystem
den USA, fremde Staaten auf unbegrenzte Beträge zu verklagen. So
erhielten die Familien der Opfer des Lockerbie-Absturzes vom
bedrängten Libyen lockere zehn Millionen Dollar pro Passagier,
obwohl die amerikanischen Gerichtshöfe nur zehntausend Mal
kleinere Beträge für die Opfer amerikanischer Bombardierungen
genehmigten – falls diese jemals überhaupt irgendetwas erhalten
haben sollten.
Russland fühlt sich gefährdet, weil die USA
andere souveräne Länder öfter und weit ungestrafter angegriffen
hat als es Hitler jemals getan hat. Diese Gefühl wird geteilt
von einem weniger vernehmbaren China. „Die große Angelegenheit,
die die UNO teilt, ist nicht mehr Kommunismus versus
Kapitalismus wie es einmal war; es ist Souveränität“,
predigte die New York Times. Ihr Schreiber, James Traub,
listet viele Länder auf, die „ihre Bürger unter dem Schutz der
Souveränität missbrauchen“. Umsonst wird man hier den Namen
Israels suchen, obwohl die Juden über 1000 Menschen im Libanon
töteten und mehr als 200 Zivilpersonen letzten Monat allein in
Gaza.
Die große strittige Angelegenheit unserer Zeit
ist tatsächlich etwas anderes: warum die USA und Israel die
einzigen souveränen Länder sind, während andere nur eine
begrenzte „Demo“-Version haben. Warum kommt Israel mit
Aggressionen davon (und jetzt mit seiner See- und Luftblockade
des souveränen UNO-Mitglieds Libanon), während der friedliche
Iran zensiert werden muss. Warum war Israel in der Lage alle
einschlägigen UNO-Resolutionen zurückzuweisen, ohne dass ihm
jemals Sanktionen auferlegt worden wären, der Iran dagegen kurz
davor steht, bombardiert zu werden? Sind Nicht-Juden weniger
wert als Juden? Der Fall des Iran liefert Russland und China
eine gute Gelegenheit, für Souveränität und Nicht-Einmischung
einzutreten.
Einiges an besserer sowjetische Politik war im
christlichen Ethos Russlands verankert und der Tradition, den
Unterdrückten und Schwachen zu helfen; dem Aggressor zu
widerstehen fällt darunter. Das postsowjetische Russland erbte
diese Traditionen. Aber in diesem Fall fällt die praktische
Notwendigkeit zusammen mit dem Ruf des Mitleids. Außer Präsident
Putin betrachtet die Möglichkeit, selbst geschnappt und an einen
amerikanischen Känguruh-Gerichtshof gebracht zu werden mit
Gleichmut, könnte er in Betracht ziehen, diese Orgie der
Invasionen zu stoppen. Iran ist der Fall einer Invasion zu viel.
Iran ist ein souveränes Land; es hat kein internationales Recht
gebrochen. Seine Entscheidung, Uran anzureichern, liegt völlig
im Bereich seiner Rechte gemäß der NPT.
Ob sie Allah oder Jehova anbeten, ist gänzlich ihre innere
Angelegenheit. Indem Russland sein Recht auf Veto anwendet,
würdet es signalisieren, dass Einmischung in innere
Angelegenheiten souveräner Staaten in der UNO nicht toleriert
und legitimiert wird. Russland wird nicht allein sein – China,
das genauso unglücklich über US-Einmischung ist, könnte es mit
seinem eigenen Veto unterstützen.
Die Alternative ist nicht auszudenken: Sogar
wenn die UNO-Resolution sich nicht auf Sanktionen bezieht, sind
die USA bekannt für ihre rücksichtslose Art, den UN-Text
auszulegen. Jede Verurteilung (sogar eine weiche) wird als
Freikarte benutzt werden, den Iran nuklear anzugreifen und zu
übernehmen; dann wird die US-Kette von Militärbasen durchgehend
um die Südflanke von Russland und China herumlaufen, durch die
Türkei, Georgien, den Irak, Iran, Afghanistan, Pakistan. Der
„rebellische“ Ahmadinejad wird in Eisenketten nach Tel Aviv
gebracht werden, während die USA die Erdölreserven des Iran
übernehmen und indem sie iranisches und irakische Öl nutzen, die
russischen Stellung in der Weltwirtschaft unterminieren. Danach
werden sie unter diesem oder jenen Vorwand russisches Vermögen
konfiszieren, Putin mit Ahmadinejads Schicksal drohen und
Russland auf seine klägliche Position des Tage Jeltzins
zurückwerfen. Daher wäre es ein sehr kluger und weiser Schritt
sowohl für Russland als auch für China, ihre Vetos im
Weltsicherheitsrat zu benutzen, besonders wenn das verbunden
wäre mit der Garantie der vollen Mitgliedschaft des Iran in der
„Shanghai Cooperation Organisation“.
Die Folgen eines russischen Vetos wären größer
als nur einen Angriff auf den Iran zu verschieben: es würde ein
starkes Signal aussenden, dass das Ende der „Pax Americana“ nahe
ist. Das „alte“ Europa könnte es als Fingerzeig nehmen und seine
Unabhängigkeit wiedergewinnen, ja sogar fordern, die Überreste
des WKII aus Europa zu beseitigen, die US-Militärbasen. Das
„neue“ Europa könnte einsehen, dass es nicht mehr im
Gleichschritt ist und seine proamerikanische und antirussische
Parteigängerei beschneiden. Japan könnte ein Ende der Okkupation
Okinawas fordern. Das Gesetz der Völker wird die Welt wieder
regieren anstatt der Wille des Pentagons.
Und dann wird die Zeit für einen neuen
amerikanischen Drang zur Unabhängigkeit kommen, der
Unabhängigkeit von seine jüdischen Lobby. Solch einen Drang gab
es im revolutionären Russland der 1920er als die russischen
Kommunisten darüber stritten, ob sie für die Weltrevolution sein
sollten, wie Trotzky es forderte, oder für die Schaffung des
Sozialismus in ihrem eigenen Lande wie Stalin und Bucharin es
beabsichtigten. Wenn ihr militanter Aktivismus zurückgewiesen
wird, könnten die Amerikaner ihre Neo-Trotzkisten fallen lassen,
die (Republikaner wie auch Demokraten) scharf darauf sind, ihre
„demokratische Weltrevolution“ zu verbreiten, fallen lassen zu
Gunsten von Isolationisten, die das Aufbauen dem Verbreiten
vorziehen. Die Befürworter des Verbreitens – von George Bush bis
Hilary Clinton – sind große Freunde Israels. Die Unterstützung
Israels durch zwei Parteien in den politischen Eliten der USA
bedeutet auch ihre Unterwerfung unter die jüdische Lobby.
Ablehnung der Lobby könnte der einzige Slogan einer neuen
amerikanischen Revolution werden, einer neuen amerikanischen
Partei der Unabhängigkeit und Nicht-Einmischung auf dem Wege
dahin, Vereinigten Staaten zu gründen, mit denen die Welt leben
kann.
Übersetzung: Friederike Beck
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