(The Baron’s Braid)
(Dieses Essay entstand im Februar 2002 und
wurde hier wegen seines Themas, dem Tempelberg, eingefügt).
Wunderschön wie immer kam der Frühling nach
Palästina. Dies ist eine liebliche Jahreszeit, wenn das blasse
Feuer der Mandelblüte die Bergtäler ausleuchtet, wenn das Gras
ungewöhnlich grün ist (bald schon wird es von der Sonne
verbrannt sein), wenn der Himmel blau und sanft über der
Landschaft liegt ohne das stechende Licht des Sommers und wenn
weisse Schafe schwerfällig die Hügel hinaufsteigen. Den
Erschaffer des Frühlings interessiert menschliches Vorgehen
wenig, oder aber Er weiss es besser.
Im sechzehnten Monat der Intifada machte die
Leichtigkeit der israelischen Vorstösse in die autonomen Gebiete
den fiktiven Status des palästinensischen Staatsprojektes immer
deutlicher. Freunde Palästinas waren besorgt, dass die
palästinensische Autonomie zu einem arabischen Bantustan im
Grösseren Israel werden könnte. Wir
können versichert sein: die Autonomie wird nicht zum Bantustan.
Es ist ein grosses Wildreservat.
Wahrscheinlich denken Scharon und sein Tourismusminister, der
Siedler Beni Elon, dass man damit abenteuerlustige Touristen
nach Israel locken könnte, die Südafrikas und Kenyas bereits
überdrüssig geworden sind.
Edward Herman
von ZNet schrieb von einer kommenden “Endlösung” für die
Palästinenser in Anlehnung an die deutsche “Endlösung” für die
Juden. Derselbe Gedanke kam auch der IDF. Unsere Generäle haben
aus dem Zerschlagen des Aufstands im Warschauer Ghetto durch die
Deutschen gelernt berichtete der Haaretz.
Sie sind über die relativ geringen Verluste der Wehrmacht in
Warschau 1943 ganz aufgeregt und hoffen, diese grossartige
Leistung wiederholen zu können, wenn sie die Überbleibsel der
Autonomie zerschmettern.
Auf der anderen Seite gibt es immer mehr
Zeichen für zivilen Widerstand und israelische Offiziere, die
sich weigern, die “Endlösung” durchzusetzen. Ich ging zu einer
Demonstration ins Tel Aviv Museum und fand dort viele
wundervolle junge Männer und Frauen vor, die nebst alten
Friedenskämpfern erschienen waren. Es war ein wahres
Friedenslager ohne spezielle Anführer. Sie applaudierten einer
Nachricht von Arafat, unterstützten die ungehorsamen Offiziere.
Peace Now, eine Bewegung, die der Arbeiterpartei
angehört, kam nicht: ihren Mitgliedern war es unangenehm, sich
Armeebefehlen zu widersetzen. Es ist niemals leicht, sich
Befehlen zu widersetzen, obwohl die IDF abweichenden Meinungen
gegenüber tolerant ist. Die Rebellen werden höchstens aus ihren
führenden Positionen abgesetzt, kommen jedoch nicht vors
Kriegsgericht. Ihre Weigerung, in den palästinensischen Gebieten
zu dienen, ist ein Schlag für die israelische Kriegsmaschine,
obwohl hunderte andere Soldaten und Offiziere bereits ihrem
Wunsch Ausdruck verliehen haben, die frei gewordenen Plätze an
Checkpoints und als Heckenschützen einzunehmen. Die Rebellen
haben einen wichtigen ersten Schritt gemacht, indem sie sich
gegen das Böse stellten.
Die Tel Aviver Wochenzeitung Ha-Ir
veröffentlichte kurze Erklärungen (jede von ihnen unter 100
Worte) dieser Soldaten, warum sie sich geweigert haben, Befehle
zu befolgen. Das ist eine düstere Lektüre, voll mit Berichten
von Misshandlungen an Checkpoints, Folter und Aushungern von
Palästinensern. Der Mord an Kindern, ein besonderer Charakterzug
des jüdischen Staates, steht ganz weit oben in dieser
Horroraufzählung. Die Antisemiten von einst behaupteteten, Juden
würden christliche Kinder ermorden. Dieser entsetzliche blutige
Mythos wurde in Israel zerschlagen und zerstört. Wir ermorden
muslimische Kinder genauso leicht wie christliche, ohne
Vorurteile. Sogar Ami Ayalon, der harte, schlanke, glatzköpfige,
gemeine Ex-chef des gefürchteten Staatssicherheitservices fragte
sich einmal laut, warum sich so wenige israelische Soldaten
weigerten, Kinder zu töten.
Ich bin etwas weniger enthusiastisch als ich
sein sollte, da die Israelis die wundervolle Gabe besitzen,
Protest für ihr eigenes Interesse zu nutzen. Zum Beispiel fand
nach dem Massaker von Sabra und Schatila eine riesige
Demonstration statt mit einigen hunderttausend Israelis. Doch
dies wurde dazu benutzt, dass sich die Israelis gut fühlten.
Während der folgenden siebzehn Jahre blieb das Folterzentrum
Al Hiyam im Südlibanon aktiv und die Besetzung des Südens
wurde erst vor kurzem beendet. Scharon, der Schlächter von Sabra
und Schatila, wurde zum Premierminister gewählt. Es besteht die
Gefahr, dass die mutige Tat dieser Offiziere instrumentalisiert
wird, um ein gutes Gefühl bei den Unterstützern Israels
hervorzurufen, anstatt für eine Verbesserung der Dinge zu
sorgen. Ein israelischer Freund Palästinas, Henry Lowe, schrieb:
“In Amerika verwenden rechte Entschuldiger des kolonialistischen
Israel bereits die Statements der Reservisten um auszudrücken:
“Seht her, nur in Israel kann es das geben. Das ist ein klarer
Beweis dafür, dass Israel eine Demokratie ist, während die
Araber…” Ausserdem ist ihr Bestehen auf dem heiligen Charakter
der Green Line zumindest etwas naiv.
Was nun, Israel und Palästina?
Was wird als Nächstes geschehen?
II
Scharon könnte versuchen, die Endlösung
voranzutreiben, die Schaffung eines palästinenserfreien
palästinensischen Staates. Bis jetzt hatte er noch geglaubt,
dass die Palästinenser irgendwann vor ihren unerträglichen
Lebensbedingungen flüchten würden. Relativ wohlhabende Leute mit
relativ guten Beziehungen wandern aus und distanzieren sich in
Erwartung besserer Tage. Doch die Juden wandern noch viel
schneller aus. Junge Israelis gehen für ihr Studium ins Ausland
und kommen nicht mehr zurück. Ein begabter Musiker, Adi Schmidt,
der Sohn meines Freundes, kündigte an, dass er vorhabe, Israel
für immer zu verlassen und gab ein Abschiedskonzert in Tel Aviv.
Der Schekel befindet sich im freien Fall und Investitionen sind
gleich Null. Darum muss die Regierung drastische Massnahmen
ergreifen.
Die Regierung würde liebend gerne einen
Bürgerkrieg unter den Palästinensern provozieren. Noch mehr
Druck in Verbindung mit Aktionen von Milizen, Treffen mit
ausgewählten PNA (Palestinian National Authority)
Ministern, Forderungen nach der Verhaftung und der Auslieferung
von Aktivisten - solche Strategien sollen einen Bürgerkrieg
hervorrufen. Doch unerwarteterweise zeigen die Palästinenser
keine selbstzerstörerischen Tendenzen.
Da er es nicht geschafft hat, einen
palästinensischen Bürgerkrieg zu verursachen, setzt Scharon
andere Mittel ein, um die Palästinenser und Israels Nachbarn zu
provozieren und um das Land nach einer solchen Provokation von
seinen nichtjüdischen Einwohnern zu säubern. Er kann zum
Beispiel in die Al-Aqsa Moschee einbrechen, dieses
wundervolle Gebäude gebaut von den umayyadischen Kalifen im
siebten Jahrhundert, der blossliegende Nerv Palästinas. 1996
öffnete Bibi Netanyahu einen Tunnel in der Nähe der Moschee und
verursachte den Tod von 96 Menschen. Scharons eigener Übergriff
auf die Moschee vor 16 Monaten verursachte die Intifada.
Neulich erhielt Scharon die nützliche Empfehlung des Shabak
(israelischer Geheimdienst), die Moschee doch auch für jüdische
Gläubige zu öffnen.
Unter normalen Umständen können Nichtmuslime
die Al-Aqsa Moschee besichtigen. Die breiten schattigen
Höfe, die Harmonie des Qubbet as-Sahre, des Doms des
Felsentempels, und die geräumigen Schiffe des Hauptgebäudes der
Moschee machen sie zu einem geeigneten Ort für einen netten
Spaziergang, für eine Pause und zum Nachdenken. Millionen von
Touristen und noch mehr Gläubige kamen an diesen Ort. Doch seit
langer Zeit hindert die israelische Regierung die Moslems daran,
an diesen Ort zu kommen, an dem der Prophet, Friede sei mit ihm,
zusammen mit den anderen Propheten sein Gebet verrichtet hat.
Ein Jerusalemer Moslem muss über vierzig Jahre alt sein, um die
israelischen Polizeisperren auf seinem Weg zum Gebet passieren
zu dürfen. Ein Moslem aus Gaza oder Ramallah kann hierher
überhaupt nicht zum Gebet kommen. Die Leiter der Moschee wollen
keine Fremden in ihrem Haus sehen und ihre Söhne werden nicht
eingelassen.
Teile der Grundstücke der Moschee haben die
Juden bereits konfisziert. Neben dem breiten Platz vor der
westlichen Mauer befand sich das malerische Mughrabi Viertel. Es
gehörte auch zur Moschee, doch nach der israelischen Eroberung
Jerusalems im Jahre 1967, wurde es niedergewalzt. Einige der
Bewohner wurden unter den Ruinen begraben, so eilig hatten es
die Eroberer, die palästinensische Präsenz zu eliminieren. Die
westliche Mauer ist auch Teil der Moschee. Nach
jahrhundertelanger Tradition, bestätigt auch von den britischen
Autoritäten, gehört die Mauer zur Moschee, obwohl die Juden an
dieser Mauer beten dürfen. Nach 1967
wurde sie zusammen mit der südlichen Mauer beschlagnahmt.
Die jüdische nationale Rechte träumt davon, den
jüdischen Tempel auf den Ruinen der Moschee zu errichten.
Sie glauben, dass der Berg magische
Eigenschaften hat und dass er, ist er erst einmal in jüdischer
Hand, für immer die jüdische Herrschaft über die christliche und
moslemische Welt garantieren werde.
Der jüdische Tempel wird auch die Heilige Grabstätte überrragen.
Für sie ist die Übernahme der Moschee nicht nur ein Weg, um mehr
Gewalt zu provozieren, es bedeutet das Ende selbst.
Diese Meinung wird von den “christlichen
Zionisten” geteilt, einer amerikanischen religiösen Gruppe, die
tatsächlich sowohl das Neue Testament zurückweist, als auch die
Eucharistie und die Heilige Jungfrau und die an den ewigen
Auserwähltenstatus der Juden glaubt. Die christlichen Zionisten
halten es für ihre Pflicht, den Juden zu dienen, indem sie den
grossen Krieg vorantreiben. Da der Aufstieg einer solchen Sekte
von den Kirchenvätern um die Zeit des Weltuntergangs
vorhergesagt wurde, nennen ihre Gegner sie “Die Kirche des
Antichristen”. Der amerikanische Präsident George W. Bush und
einige seiner Berater stehen dieser Kirche der “Armageddon
Anhänger” sehr nahe. Sie werden den Juden gehorchen und Israels
Nachbarn, den Iran und den Irak, mit nuklearer Vernichtung
drohen, während Israel die Moscheen übernimmt.
Falls diese Übernahme friedlich von Statten
geht, wird Scharons Name neben dem von König Herodes in die
Annalen eingehen, dem Erbauer des vorigen jüdischen Tempels.
Falls sie grosse Unruhen verursacht, wird dies Scharon
ermöglichen, die Palästinenser zu töten und auszuweisen. Falls
sie einen grossen Krieg verursacht, werden die Armageddon
Anhänger zufrieden sein.
III
Es gibt einen Plan für den Notfall für die
weniger blauäugigen. Nüchterne und verschlagene Zionisten sahen
die Wahl Scharons nur als ein gewisses Stadium in der
Verwirklichung der Oslo Strategie. Die Palästinenser wiesen
Baraks Vorschlag für einen “unabhängigen palästinensischen
Staat” zurück, gleichbedeutend mit einer Reihe von Bantustans
ohne Rückkehrmöglichkeit der Flüchtlinge, ohne Jerusalem, ohne
Grenzen und ohne Hoffnung. Doch seither haben sie sehr viel Leid
erlebt und viele ihrer besten Männer und Frauen verloren.
Eine jüdische Volkssage erzählt von einem
Mann, der in seinem kleinen überfüllten Haus unglücklich war.
Sein Rabbi riet ihm, seine Ziege auch noch ins Haus zu holen.
Daraufhin kam der Mann eine Woche später in Tränen aufgelöst
wieder zum Rabbi, da es nun wirklich unmöglich war, sich in
seinem Haus zu bewegen. Der Rabbi erlaubte ihm, die Ziege wieder
aus dem Haus zu lassen und daraufhin war der Mann ein
zufriedener und glücklicher Bürger.
Scharon ist die Ziege in dieser Geschichte.
Sobald er nicht mehr da ist, werden die jüdischen Medien in
Amerika unseren grossartigen Humanismus preisen. Die Europäer
werden uns für unseren guten Willen segnen. Die netten Jungs,
die sich geweigert haben, in den Territorien Dienst zu tun,
werden zu Helden. Der Platz des blutigen Scharon wird von seinem
nicht weniger blutigen Verteidigungsminister Fuad Ben Eliezer
eingenommen, von Avrum Burg oder einem der Kornspeicher aus der
Arbeiterpartei. Die Armee wird sich aus Nablus und Ramallah
zurückziehen. Glückliche Palästinenser werden dem Oslo Plan nach
Barak zustimmen ohne die Erklärung des Ende des Konflikts. Sie
werden in ihre Enklaven zurückkehren, in die langsame
Strangulation aus Baraks Tagen. Sie werden ihre konfiszierten
Grundstücke und Häuser für immer aufgeben müssen, die Al-Aqsa
Moschee und auch Jerusalem.
Die israelische Rechte und ihre Alliierten
des AIPAC (American Israel Public Affairs Committee)
werden es als amerikanischen Verrat darstellen, neben den 1956er
Befehlen von General Eisenhower zitiert zu werden. Die
Unabhängigkeit der amerikanischen Verwaltung von der jüdischen
Lobby wird bestätigt. Die schmerzlichen Ereignisse der Intifada
und ihr Ende werden als Sieg des Guten über das Böse dargestellt
werden. Sie werden dabei nicht erwähnen, dass die guten und
bösen Zionisten dabei am gleichen runden Tisch sassen und alles
gemeinsam planten. Doch für einen objektiven Beobachter würde
all dies etwas anderes bedeuten.
Wieder einmal, zum x-ten Mal, hätte der “böse
Cop” sein weichgeklopftes palästinensisches Opfer den Samtpfoten
des “guten Cops” überlassen.
Ja, diese Soldaten und Offiziere, die sich
weigerten an der Unterdrückung teilzunehmen, sind ganz tolle
Kerle und sie haben eine gute Tat getan. Doch ich habe die
Sorge, dass dies dazu benutzt wird, die guten Gefühle unter den
Unterstützern Israels zu fördern und die Struktur der Apartheid
selbst rechtzufertigen. Ihre mutigen Worte werden dazu benutzt,
um die “unilaterale Teilung” zu unterstützen, ein Codewort für
das Einsperren der Palästinenser in eine grosse gut bewachte
Zone.
Man kann das Denkmuster des jüdischen Staates
nicht aus dem Inneren heraus ändern, das Denkmuster der
Unterdrückung und der Apartheid. Eine Person aus Raspes Buch,
der Baron Münchhausen (dem breiten Publikum durch Terry Gilliams
Film nähergebracht) zog sich selbst und sein Pferd aus einem
Sumpf, indem er sich an seinem eigenen Zopf herauszog. Wenn man
dieser Geschichte Glauben schenkt, dann mag man auch glauben,
dass die guten Jungs die israelisch-jüdische Gesellschaft von
innen heraus ändern können ohne sich mit den Palästinensern
zusammenzuschliessen.
Eine viel bessere Lösung bot uns die
jüdisch-orthodoxe Gemeinde von Neturei Karta an, die Söhne der
prä-zionisitischen jüdischen Gemeinde des Heiligen Landes. Sie
wurden ebenso stark misshandelt wie alle anderen eingeborenen
Söhne Palästinas, hauptsächlich wegen ihrer Weigerung bei den
zionistischen Horrortaten mitzumachen. Diese weisen Männer in
ihren grossen schwarzen Hüten, wie mein Onkel aus Tiberias, ein
friedvoller und frommer Rabbi, erinnern mich daran, dass die
Juden einst in guter Nachbarschaft mit den Palästinensern lebten.
In leidenschaftlicher Erregung sagen sie, dass die Crux des
Problems die Existenz selbst des “jüdischen” Staates sei. Die
einzig realistische Hoffnung für dauerhaften Frieden ist, dass
die Vereinten Nationen bei der Auflösung des israelischen
Staates behilflich wären und das Land der nichtjüdischen Führung
zurückerstatten.
Einst witzelte Stalin darüber, wieviele
Bataillone wohl der Papst ins Feld schicken könne?
Nichtsdestrotrotz erlebte ein Papst die Auflösung der
Sowjetunion mit. Die Neturei Karta Juden haben keine Bataillone,
doch ich glaube, dass sie die Auflösung Israels miterleben
werden und an seiner Stelle die Geburt eines neuen Palästina,
eines Landes, in dem alle seine Söhne und Töchter vereint sind.
siehe meinen Artikel “Eckstein
der Gewalt”
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